das hier ist in ständiger bewegung. wenn du magst, lies mit.
2025
komm
schatten tauchen
und
luftknospen
kosten!
*
licht
verflossene sommer glitzern
in alter wunder dunkelheit
warmer glanz
lockt die goldgräberin
doch die quelle
bleibt ihr verborgen
flackert flacher
je mehr sie sucht
verstellt von geröll
scharfkantigen rostigen
uralten ineinander verkeilten
verkohlten teilen von schrott
bombensplittern
eines vergangenen kriegs
verhärten sich fronten
die goldgräberin
gerät in die schatten
in die sie hinein greift
dran zieht und zerrt
obwohl sie ihr nicht gehören
besessen ist sie vom licht, geblendet
vergisst sich selbst, vergisst zu atmen
will gewaltvoll beseitigen
was dieses wunder verbirgt
doch das ist nicht ihre aufgabe.
es ist die aufgabe des besitzers des lichts.
an den scharfkantigen rostigen
uralten ineinander verkeilten
verkohlten teilen von schrott
den bombensplittern
eines vergangenen kriegs
verletzt sie sich ebenso tief
wie das licht sie berührte
um zu überleben
muss sie gehen
die erinnerung ans licht
schneidet sie sich aus dem herzen
schlägt sie sich aus dem körper
in schmerzvollem tanz
und es leuchtet in ihrem herzen
es leuchtet heller denn je
*
versuchstier
(the artist is not present)
ich bin die rückseite
ich bin die unterseite
ich bin die zarte blutige innenseite
ich bin das gegenteil von etwas
mich gibt es umsonst
ich bin eine projektionsfläche
ich bin eine offene wunde
ich bin deine leerstelle
ich habe ein loch
du kannst mich spalten
du kannst mich zwischennutzen
du kannst mich mal
mit deinen persönlichkeitszuständen ausfüllen
ich sage es niemandem denn
ich bin das was nicht geschieht
ich bin dahinter
ich bin darunter
ich bin daneben
neben der spur
ich bin eine höhle
ich bin ein zuhause
ich habe kein zuhause
ich sehe dich von innen
ich bin da wo niemand ist
da sitze ich und esse das zitroneneis
das du nie für mich gekauft hast.
*
lauwarmes träges
schlammgrünes
sommerteichsalzwasser
das schwappt
mitten im längsten winter der welt
gegen alle körper-innengrenzen
braucht sämtliche energie, es zu halten
der versuch
mit normalen menschen
normale gespräche
an normalen orten zu führen
scheitert
das uralte sommerteichsalzwasserschwappen
übertönt alles
*
die fremde
ihre tiefgefrorenen
gefühle fühlen
wie die eigenen
ihr herz weich
werden sehen
sie lieben
gewaltvoll
verstossen werden
von ihrer angst
damit nie wieder jemand
in ihr herz sieht
*
imaginärer freund
verlorener kindheit
gross bist du!
meine leuchtaugen
stechen dich
aus deinem kontext
ich nagle dich
hart am herzrand
meiner verwilderten träume
jage dich
durch alle filter
deiner fallenden
identitäten
wachsender einsamkeit
*
in inne gehaltener zeit
innen gehalten sein
den raum lieben
der zwischen uns entsteht
weil wir abstand wahren
die energie lieben
die sich bewegt
in diesem raum
der frei ist
und belebt
durch unsere verbindung
weil wir den raum
offen halten
unterschiedlich zu sein
*
unsere
körper
kommen
näher
nackter
da löst sich
ein teil selbst
weht
einfach
davon
*
unsere fühlenden wesen
spiegeln fülle an erfahrung
auch digitale, körperlose
doch sind wir vielsinnliche körper
im spiel der wahrnehmung
ohne verfremdung
steht uns so viel zur verfügung
um präsent zu leben.
wovon lenken wir uns ab?
2024
deine umarmung ist dunkel
verwunschener wald
du riechst nach dem regen
der fallen wird
verwesungsfantasie
als hätte der geruch
nach mir gegriffen
mich am arm festgehalten
fest
wehrlos bin ich und atme den
feucht erdigen luftkörper der sich
um den verwesenden holz
körper
schmiegt der an mir zieht saugt
dunkle höhlen bildet
tief
in denen ich mich auflösen will
leicht
eine verlassene webe
ein leeres schneckenhaus
meine schatten
frei
*
todesspirale
(relaxed performance)
hey boyfriend*
es gibt
gar keinen ausweg
so lass uns lieber
hand in hand
spazieren gehen
schauen
was da ist
das menschengemacht
zugrunde geht
damit entsteht
was wir noch nicht wissen
*
beknallt allein
komm lass uns freunde sein
und randstand überschlag
bedampft versprüht beschallt
ohne wald
am brachen feld
am rand der welt
nachts neben der
verlassenen mühle von bolligen
deren alte zeit
(bye bye bald neumond)
sie verwandelt so
verwandeln verwundern
verwunden wir uns
wir reisenden im nichtwissen
über liebe
*
popstar
er himmelt nicht sie an
er himmelt das bild an
das er sich macht von ihr denn
die innere leerstelle
die er mit seinen träumen füllt
den vollen schmerz
kann er nicht tragen
er trägt ihn aus schicht um schicht
durch die archäologie seiner seele
die botschaften seiner träume
und vielleicht
sieht er sie dann
*
narzipaar
um ihm nah zu sein
stellt sie sich
in den schatten
sie umhüllt ihn
mit einem zauber
damit sie nicht sieht
wer er ist
damit sie nicht sieht
wer sie ist
seit da wieder licht ist
ohne ihn
kann sie sich selbst
nah sein
doch da ist niemand
*
während ihre kinder spielen
verstreicht
ihre lebenszeit
2023
ich bin die
kapitalismusbefreite
konsumentin meiner träume
ich lese
in allen tassen
im schrank der coffeekette
eine andere zukunft
*
plötzlich zu zweit
wir sprechen nicht
was sollten wir auch sagen
es gibt nur noch
bewegung unserer körper
die einander nie berühren
den ball
das sonnenlicht
das atmen
ich falle in den himmel
und mein herz
durch den basketballkorb
*
das kind
es hat grosse blaue augen
ohne leuchten
schau mir zu
sagt das kind
sei da
sagt das kind
das kind will die sozialpädagogin umarmen
die sozialpädagogin sagt huch
die sozialpädagogin sagt stop
ich schaue dem kind beim schaukeln zu
ich bin da
sage ich
das kind sagt
ich vermisse meine mama
aber jetzt bist du ja da
du bist bestimmt eine gute mama
das kind schaut weg
in der winternacht
steht es im schlafanzug
am bahnhof
dann ist das kind
nicht mehr da
*
wenn ich lust habe
bei regen
am waldboden zu sitzen
hört doch auf mich
besorgt anzuschauen
lasst doch selber
eure gefühle zu
wir sehen uns
als waldboden wieder
*
plan 23
einen teil natur
wild lassen
so einen land
abschnitt
einen teil selbst
wild lassen
einen teil ich
und wie kann der sein
der teil mensch
der teil wesen
wie wild?
*
elternratssitzung
die stille auf dem heimweg
bedeutet mir so viel mehr
als alles was gesprochen wurde.
2022
der baum
er überlässt sich dem wind
bewegt sich sacht
meinem atem zugewendet
spüre ich ein sanftes wiegen
der wind im baum
der atem in meinem körper
dieselbe bewegung
*
alte elterntiere
durch die verschlossene glastür
sieht sie ihren vater
auch ihre mutter
steht regungslos da
ihre gesichter sind weich
die haare weiss
ihre augen gucken gross
und stumm
er nestelt am türschloss
er verheddert sich im vorhang
er fällt wie in zeitlupe
sinkt
noch halb nackt
in den eigenen koffer
sie greift seinen arm
er hängt, kommt nicht hoch
dann doch
sie gucken stumm
durch die verschlossene glastür
ihres gästeterrariums
*
nordsee
pfähle
die das ufer
befestigen
wasser
das kommt
wasser
das geht
in ganzer mondkraft
satt dunkelgrün
es wiegt
treibt gut
tang, unrat
es wirft
dunkle blasen
und die pfähle
halten sie stand?
*
du gibst alles
mich zu tragen
da falle ich
woanders hin
2021
und dann ein bad
im klang
im duft
im licht
und die sommerabendstadt klingt
und die sommerabendstadt duftet
und die sommerabendstadt leuchtet
wie als ich ein kind war
*
samen
harsch durchbricht das reissen
das schweigen der bäume
am geöffnet hohlen hals
tritt dicke milch aus
kaum mehr spürbar
die zuvor beobachtete zartheit
zusammengedrückt
sitzen sie jetzt
im immergleichen haar
der monokultur des nachbarfelds
wo menschen dasein, wachsen
nicht geschehen lassen wollen
das wunder das immer schon da ist
ohne jegliches zutun
*
inmitten motorisierten verkehrs
sitzt auf nacktem asphalt
ein lesendes mädchen
unterm asphalt
lebendige welten
unter konzepten
bewegliches dasein
das lesende mädchen
auf dem nackten asphalt
sitzt in jedem
einzelnen auto
*
sonntagsausflug in der schweiz
an nackte felswände
schlägt ohrenbetäubend
die dampfmaschine
das sich vertiefende dunkel
brennt heisser auf der haut
vergänglicher körper
kinderweinen
in der fritteuse gestillt
mit ketchup
*
bürstadt city
als wär das meer
ganz nah
zugdurchfahrt
ungeachtet der eckkneipe
getränkte gemüter
deren einer taumelnd
die papierserviette vom boden ergreift
sie in den mülleimer presst
mit dem er spricht
*
familienurlaub
südlich der hauptstadt
überläuft im strömenden regen
der grüne see
unterspülte ufer brechen
gemeinsam zählen wir
im ersten sonnenstrahl
die eidechsen
*
die stadt der kindheit
verwelkt.
ruhig atme ich weiter.
*
supermarktmoment
glitzerlackiert und hellblondiert
legst du mir
mit ganzer aufmerksamkeit
und einem hauch synthetischer vanille
vier nektarinen
sorgfältig in meine hände
wir haben uns ja noch gar nicht
desinfiziert
*
alte menschen
schleichen um alte häuser
in alten dörfern
am ende des sommers
ihre häuser sind warm
ihre häuser sind gross
ihre häuser sind kalt
der ofen ist alt
im flur ist es dunkel
das bier ist warm
die äpfel faulen im keller
im fernsehen geschieht abends
um acht uhr fünfzehn immer das selbe
komm wir schliessen die tür
*
am ort selbst
kein zug
wo anders hin
nicht vor
nicht zurück
irgendwo
zwischen geburt und tod
einfach bleiben
2020
mutterboden
in einer hand voll leben
mehr lebewesen
als menschen auf dem planeten
*
hauptstadtstille
alte steine
drachengestalten
novemberkastanien
moose und luftzug
kommende kälte
verhallende stimmen
und schritte von weitem
es laufen:
(konzentriert auf ihr äußeres bild)
die arbeitsamen menschen
vorbei
*
versiegelte böden
versiegelte böden
weil das so schön ordentlich aussieht
versiegelte böden
dann ist alles unter kontrolle
versiegelte böden
weil das so toll ist mit fahrzeugen
doch das spiel der fliegenden blätter
wird niemals enden
denn eines tages werden wir gegangen sein
und die wurzeln brechen die straße auf
*
die jaguarin
über glut gelaufen
dein augenlicht verloren
deine kinder nicht wiedergefunden
im feuer
dein land brennt
menschen legen brände
legen dich
auf einen tisch
kämpfen um dein leben
verlieren
schließlich
alles
*
lungenflügel
lungenflügel
heben sich
senken sich
tragen dich
fliege
es ist alles da
*
stadtlicht
weiß gleißen am morgen
strahlen der autoscheinwerfer
die das tempo der fahrenden schatten bestimmen
auf regennassem asphalt
zur arbeit!
wenn die menschen vorbeigefahren sind
liegt das laub ruhig
stirbt im glanz der straßenlaternen
liegt da in der letzten nässe der nacht
verleiht dem versiegelten boden
ein wenig leben
*
schutzschild meinem kind
«augen zu und durch
gib niemals auf
kämpfe»
ich bremse ab.
biege in ein ruhiges quartier ein
höre durch den klang der stadt
die vögel singen.
*
nutzgärten im winter (covid 19)
vereinzelt alte menschen
gebückt nach erfrorenem kohl
an der hütte die fahne ferner heimat
schrei eines raben
vergessen ruht
der gute lederschuh aus anderer zeit
in nachbarschaft eines fahrradschlosses
und übriger hagebutten
tropfen um tropfen vergeht schnee
unter einer glocke
harrt die stadt aus
wartet
*
am grund
bodenlos
abgesunken
schliesslich
gegründet
tiefseewasserpflanze sein
alles andere ist ferne brandung
*
ausbeuterischer geschäftigkeit
im weg sitzen
dem gegeneinander reden
entgegen
schweigen
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
vögel hören
dunkelgrün satt und schwer
beschützen die flügel der
mächtigen alten bäume
im lichtspiel der sonnenstrahlen
die kleinen unsichtbaren engel
steinfiguren
ein junges ruhiges gesicht
geprägt von der zeit
ganz lebendig am grab
menschen behütet
nach dem leben
was bedeutet die zeit
die lebendigen
gehen langsam
bei sich
respektvoll
das geräusch ihrer schritte im kies
hier ruhen -
dagegen erblasst der tag
gegenüber der ewigkeit
besteht nur der moment
*
sanft bewegen sich
stille steine wiegen sich
aneinander reiben sich
fügen sich ein
in inne gehaltene zeit
windstill, gut
wenn ich in deinem schoß
liege mit der sonne im gesicht
schweigt der see dazu
da tasten nach uns
trauerweiden-spinnenarme
der himmel schreit
blau
*
zum fenster rein
schaut ein kleines
stiefmütterchen
es friert ein bisschen in der abendsonne
es ist angebunden
damit es nicht herunterfällt.
*
ruhig und wohl dagelegen
tief und still
brachen sonnenstrahlen
das wasser
der tag
angenehm teilnahmslos
*
straßenlaternenlicht
mattgolden
beruhigend
zum glück
platzen regentröpfchen
auf müdem asphalt
regentröpfchen
regenköpfchen
regentierchen
klopfen
mein herzchen
*
schnee regnet
schwere tropfen
in den nasskalten nadelwald
die fallen klamm
ein ruppiger, wilder frühling
stürzt sich lachend
auf uns herab
nadelstiche
in frierende gesichter
haltet die bäume fest!
*
fingerspitz
klopft regen an
das glas meiner nerven
nasskalt
erlischt mich
keine zeit
leeren herzens
winterschlafe ich ein
*
kleiner weisser affe
körper gefüllt
mit weisser farbe
fußzehen welkes laub
*
der wald war lichtgrün
die sonnenstrahlen
haben das laub geteilt
der dampf ist aufgestiegen
aus allem lebendigen
wir waren barfuss
der frühling rostet vor sich hin
jede wird mal alt
2007
keine*r von uns beiden ist das – es passiert
und wir haben vier füße
zwei zungen viele zähne und zwei paar lippen!
ich bin ein baby
in deiner achselhöhle
mit geschlossenen augen
dem mund sprachlos
die geborgene entdeckung lassend
tigere am morgen seule
und still durch dein heim
weißer wände
neuer möbel
brauchst nicht viel
zum wohnen
schwer zu findende zärtlichkeit
eines winzigen erhängten comics
herbst!
geh nicht vorbei ohne dass ich’s merke!
alles ist so groß ich weiß
renne offenen herzens
durch zäune
falle in abgründe
fetze seelen
bewege mich immer am Rand des Andern
*
mein körperklang flattert
flattert nach dir
niederlassen können
komm her, komm her lass mich frei
wenn das licht deiner augen
in meine fällt
entstehen neue sterne am himmel
*
lauwarm
salziges meerwasser
steigt auf
möbel
schmilzen weg
werden schlamm
der geruch süsser gewürze
verläuft sich in den kissen
*
alte luft blubbert durch den ganzen
körper es knistert im hals zu lange
fußzehennägel ertasten lose
fußsohlenhornhaut füße immer in
bewegung bleiben alte luft irgendwo in
der luftröhre auf dem weg raus bleibt
stecken alte luft besonders im
bauchraum alte luft
jetzt verwesen
den himmel liegend fahren sehen
*
der kastanienbaum und ich
getrennt durch eine fensterscheibe
jede allein
er und die abendsonne
ich und das abendbrot
stille
der kastanienbaum und ich
zusammen allein
*
märchenprinzessin sein
der geschichte lauschend im schatten
ihre kleinen hände an mir
schauen fassend meine kleider
finden den ring, die federn, die schlange
die mir am hals liegt.
*
dort entstanden dann
ausgeworfen aus
dem beckenraum hervor heraus
durch stimmlippen
mundlippen
ruckweise schmerztönchen
eine einzelne träne
kauert sich
wie ein schlafendes kind
in meinen augenwinkel
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
auf innenweltraumreise
es war einmal eine frau, die konnte so wild träumen dass die farben ihrer lebensrealiät daneben verblassten. eines tages wurde der sog in ihre traumwelt so stark dass sie nicht mehr essen, nicht mehr schlafen und sich um ihre kinder nicht mehr kümmern konnte. sie wurde sterbenskrank. da riefen ihre kinder laut nach ihr. sie legte sich neben ihren kindern ins bett und schlief sieben tage lang. als sie erwachte, wusste sie, dass sowohl die traumwelt, als auch ihre reale welt teil ihrer vollständigen erfahrung waren. und sie lernte zu balancieren, in beiden welten präsent zu sein. in ihren texten übersetzte sie ihre traumwelt für alle geliebten wesen ihrer realen welt. und wenn sie nicht gestorben ist dann schreibt sie noch heute.
mija-traeumt@posteo.ch