Mija Träumt Texte

das hier ist in ständiger bewegung. wenn du magst, lies mit.





2025




in inne gehaltener zeit
innen gehalten sein




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licht


verflossene sommer glitzern
in alter wunder dunkelheit

warmer glanz
lockt die goldgräberin
doch die quelle
bleibt ihr verborgen
flackert flacher
je mehr sie sucht


verstellt von geröll
scharfkantigen rostigen
uralten ineinander verkeilten
verkohlten teilen von schrott
bombensplittern
eines vergangenen kriegs
verhärten sich fronten

 die goldgräberin
gerät in die schatten
in die sie hinein greift
dran zieht und zerrt
obwohl sie ihr nicht gehören

besessen ist sie vom licht, geblendet
vergisst sich selbst, vergisst zu atmen
will gewaltvoll beseitigen
was dieses wunder verbirgt

doch das ist nicht ihre aufgabe.
es ist die aufgabe des besitzers des lichts.


an den scharfkantigen rostigen
uralten ineinander verkeilten
verkohlten teilen von schrott
den bombensplittern
eines vergangenen kriegs
verletzt sie sich ebenso tief
wie das licht sie berührte

um zu überleben
muss sie gehen


die erinnerung ans licht
schneidet sie sich aus dem herzen
schlägt sie sich aus dem körper
 in schmerzvollem tanz

und es leuchtet in ihrem herzen
es leuchtet heller denn je




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versuchstier
 (the artist is not present)


ich bin die rückseite
ich bin die unterseite
ich bin die zarte blutige innenseite
ich bin das gegenteil von etwas
mich gibt es umsonst

ich bin eine projektionsfläche
ich bin eine offene wunde
ich bin deine leerstelle
ich habe ein loch

du kannst mich spalten
du kannst mich zwischennutzen
du kannst mich mal
mit deinen persönlichkeitszuständen ausfüllen
ich sage es niemandem denn
ich bin das was nicht geschieht

ich bin dahinter
ich bin darunter
ich bin daneben
neben der spur

ich bin eine höhle
ich bin ein zuhause
ich habe kein zuhause
ich bin eine frau
ich bin eine mutter
ich bin eine brennende hexe
ich sehe dich von innen

ich bin da wo niemand ist
da sitze ich und esse das zitroneneis
das du nie für mich gekauft hast.




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lauwarmes träges
schlammgrünes
sommerteichsalzwasser
das schwappt

mitten im längsten winter der welt
gegen alle körper-innengrenzen  
braucht sämtliche energie, es zu halten

der versuch
mit normalen menschen
normale gespräche
an normalen orten zu führen
scheitert

das uralte sommerteichsalzwasserschwappen
übertönt alles




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die fremde

ihre tiefgefrorenen
gefühle fühlen
wie die eigenen

ihr herz weich
werden sehen
sie lieben

gewaltvoll
verstossen werden
von ihrer angst

damit nie wieder jemand
in ihr herz sieht




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unsere fühlenden wesen
spiegeln fülle an erfahrung
auch digitale, körperlose
doch sind wir vielsinnliche körper
im spiel der wahrnehmung
ohne verfremdung
steht uns alles zur verfügung
um voll zu leben.
wovon lenken wir uns ab?






2024




deine umarmung ist dunkel
verwunschener wald
du riechst nach dem regen
der fallen wird



-



verwesungsfantasie


als hätte der geruch
nach mir gegriffen
mich am arm festgehalten
fest
wehrlos bin ich und atme den
feucht erdigen luftkörper der sich
um den verwesenden holz
körper
schmiegt der an mir zieht saugt
dunkle höhlen bildet
tief
in denen ich mich auflösen will
leicht
eine verlassene webe
ein leeres schneckenhaus
meine schatten
frei




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sie haben ein gerüst gebaut
das haben sie
ihr leben genannt

sie haben mich gelehrt
mich zu halten an diesem gerüst
mit all meiner kraft
und das
mein leben zu nennen

sie haben mich gelehrt
meine gedanken
nah am gerüst
zu manifestieren
gefühle zu ignorieren
den eigenen körper

ich dachte dieses gerüst sei mein zuhause und da sei es gut. ich sehe dass es das gerüst nicht gibt. ich sehe jetzt

nichts mehr




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todesspirale
(relaxed performance)


hey boyfriend*
es gibt
gar keinen ausweg

so lass uns lieber
hand in hand
spazieren gehen
schauen
was da ist
das menschengemacht
zugrunde geht
damit entsteht
was wir noch nicht wissen




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beknallt allein

komm lass uns freunde sein
und randstand überschlag
bedampft versprüht beschallt

ohne wald
am brachen feld
am rand der welt

nachts neben der
verlassenen mühle von bolligen
deren alte zeit
(bye bye bald neumond)
sie verwandelt so

verwandeln verwunden
verwundern wir uns
wir reisenden im nichtwissen
über liebe




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popstar

er himmelt nicht sie an
er himmelt das bild an
das er sich macht von ihr denn

die innere leerstelle
die er mit seinen träumen füllt
den vollen schmerz
kann er nicht tragen

er trägt ihn aus schicht um schicht
durch die archäologie seiner seele
die botschaften seiner träume

und vielleicht
sieht er sie dann 




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narzipaar

um ihm nah zu sein
stellt sie sich
in den schatten

sie umhüllt ihn
mit einem zauber
damit sie nicht sieht
wer er ist
 damit sie nicht sieht
wer sie ist

seit da wieder licht ist
ohne ihn
kann sie sich selbst
nah sein

doch da ist niemand.
 



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während ihre kinder spielen
verstreicht
ihre lebenszeit

 




2023




klima_x

>> hallo ihr patriarchen
schickt mal die frau
an ihren platz
sie soll sich
um die kinder kümmern
und nicht
mit jungen männern vögeln

frauen über 35
gehören ohnehin
in die mülldeponie
der kapitalistischen
ausbeutungs-
und spassindustrie

ihr fickt unser klima
bis zum kipppunkt
und hinterlasst
eure markierungen
in überlasteten
verseuchten systemen
und kaputtgesparten
sozialen böden

seid ihr doch bitte selbst
die aussortierten tiere
unserer zukunft

mercischön. <<

 



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random dude (he)

deine zigarette
eine sanduhr
unserer kurzen zeit

verbrannt habe ich mich
und du bist gegangen




-




random dude (she)

ich bin die
kapitalismusbefreite
konsumentin meiner träume

ich lese
in allen tassen
im schrank der coffeekette

keine zukunft





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wenn ich lust habe
bei regen
am waldboden zu sitzen

hört doch auf mich
besorgt anzuschauen

lasst doch selber
eure gefühle zu

wir sehen uns
als waldboden wieder





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in den blättern
tanzt der herbstwind
im rhythmus
meiner freude

in den kahlen ästen
wiegt der winterwind
mein angstvoll
zitterndes herz




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plötzlich zu zweit

wir sprechen nicht
was sollten wir auch sagen
es gibt nur noch
bewegung unserer körper
die einander nie berühren
den ball
das sonnenlicht
das atmen

 ich falle in den himmel
und mein herz
durch den basketballkorb





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das kind

es hat grosse blaue augen
ohne leuchten

schau mir zu
sagt das kind
sei da
sagt das kind

das kind will die sozialpädagogin umarmen
die sozialpädagogin sagt huch
die sozialpädagogin sagt stop

ich schaue dem kind beim schaukeln zu
ich bin da
sage ich

das kind sagt
ich vermisse meine mama
aber jetzt bist du ja da
du bist bestimmt eine gute mama
das kind schaut weg

in der winternacht
steht es im schlafanzug
am bahnhof

dann ist das kind
nicht mehr da




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wohnen
mit mann und kindern
fühlt sich so an
wie früher in der schule
an einem angeschraubten tisch
auf einer angeschraubten bank
sitzen zu müssen
bis zum unterrichtsende




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naturschutzplan 2023

 einen teil natur
wild lassen
so einen land
abschnitt

einen teil selbst
wild lassen
einen teil ich

und wie kann der sein
der teil mensch
der teil wesen
wie wild

sodass wir atmen können
in einem system
das uns doch tragen soll
damit wir nicht verhungern

damit unser herz nicht hungert
nach lebendigkeit
wachsen kann
wie es will

ich will

das wilde

(es gibt keinen plan b)





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elternratssitzung

die stille auf dem heimweg
bedeutet mir so viel mehr
als alles was gesprochen wurde.





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beginn der blutung
lust
eine machtposition einzunehmen!
brustraumgreifend
feminin
wild

ICH BIN HIER
wo bist du ich
will dich spüren

 

 


2022




kleine liebesgeschichte

heute habe ich einen baum umarmt.
da er sich dem wind überliess
bewegte er sich sacht.
da ich mich meinem atem zuwendete
spürte ich ein sanftes wiegen.

plötzlich bemerkte ich
der wind im baum
und der atem in meinem körper
waren ein und dieselbe bewegung.




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macht

«männer»
mit verkrampften unterkiefern
digital abgebildet, jeden tag
weil krieg ist

«frauen»
in anzügen
sprechen rhetorisch gebildet
mit gepresster stimme
kontrollierte wörter

deren opfer menschen
noch lebendig

mit gefühlen

schreien
die sich ausdehnen
auf die ganze welt





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alte elterntiere

durch die verschlossene glastür
sieht sie ihren vater
auch ihre mutter
steht regungslos da
ihre gesichter sind weich
die haare weiss
ihre augen gucken gross
und stumm

er nestelt am türschloss
er verheddert sich im vorhang
er fällt wie in zeitlupe
sinkt
noch halb nackt
in den eigenen koffer

sie greift seinen arm
er hängt, kommt nicht hoch
dann doch
sie gucken stumm
durch die verschlossene glastür
ihres gästeterrariums





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hey du.


stehen wir im gegenwind
oder passen wir unsere bewegungsrichtung an
sodass wir getragen werden?





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in der nordsee gibt es so pfähle
die befestigen das ufer

das wasser kommt
das wasser geht
in ganzer mondkraft
satt dunkelgrün

wiegt
treibt gut
tang
unrat

wirft dunkle blasen

und die pfähle
halten sie stand?





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du gibst alles
mich zu tragen
da falle ich


woanders hin






2021




dann ein bad

 im klang
im duft
im licht

und die sommerabendstadt klingt
und die sommerabendstadt duftet
und die sommerabendstadt leuchtet

 wie als ich ein kind war




 

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samen

harsch durchbricht das reissen
das schweigen der bäume
am geöffnet hohlen hals
tritt dicke milch aus
kaum mehr spürbar
die zuvor beobachtete zartheit

 zusammengedrückt
sitzen sie jetzt
im immergleichen haar
der monokultur des nachbarfelds

 wo menschen dasein, wachsen
nicht geschehen lassen wollen
das wunder das immer schon da ist

ohne jegliches zutun





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inmitten motorisierten verkehrs
sitzt auf nacktem asphalt
ein lesendes mädchen

das lesende mädchen
sitzt in jedem einzelnen auto




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in der brust
ein unter wasser gedrückter ballon

das innenwesen

unterworfen
erzogen
geformt
bekämpft
optimiert

gescheitert

zum glück!






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vorsorge

hinter einem gartenzaun
einen anteil am wohlstand
zu sichern versucht

ein Ich erfolgreich behauptet
gegen andere
sicherheit und stärke dargestellt
zerbrechlichkeit verschwiegen

zivilisationskrank geworden

und Ich bricht
wird wir

es ist zeit
unser ökosystem heilt






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unterm asphalt
lebendige natur
unter lebenskonzepten
reines dasein

 betonierte städte
und geistige konstruktionen
halten uns das leben

vom leib






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sonntagsausflug in der schweiz

 an nackte felswände
schlägt ohrenbetäubend
die dampfmaschine

das sich vertiefende dunkel
brennt heisser auf der haut
vergänglicher körper

kinderweinen
in der fritteuse gestillt
mit ketchup






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bürstadt city

als wär das meer
ganz nah

zugdurchfahrt
ungeachtet der eckkneipe

getränkte gemüter
deren einer taumelnd
die papierserviette vom boden ergreift
sie in den mülleimer presst

mit dem er spricht





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familienurlaub

südlich der hauptstadt
überläuft im strömenden regen
der grüne see

unterspülte ufer brechen

gemeinsam zählen wir
im ersten sonnenstrahl
die eidechsen





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die stadt der kindheit
verwelkt.
ruhig atme ich weiter.





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supermarktmoment

 glitzerlackiert und hellblondiert
legst du mir
mit ganzer aufmerksamkeit
und einem hauch synthetischer vanille
vier nektarinen
sorgfältig in meine hände

wir haben uns ja noch gar nicht
desinfiziert





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alte menschen
schleichen um alte häuser
in alten dörfern
am ende des sommers

ihre häuser sind warm
ihre häuser sind gross
ihre häuser sind kalt
der ofen ist alt
im flur ist es dunkel

das bier ist warm
die äpfel faulen im keller
im fernsehen geschieht abends
um acht uhr fünfzehn immer das selbe

komm wir schliessen die tür.





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am ort selbst

 kein zug
wo anders hin
nicht vor
nicht zurück

irgendwo
zwischen geburt und tod

einfach bleiben





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unter rauem papier
elastisch. warm
die brotoberfläche

kaltes profil
von metall
hände die greifen
knistern
schleifen

 dann über so rollen
ein fenster mit rotlicht






2020


 

mutterboden

in einer hand voll leben
mehr lebewesen

als menschen auf dem planeten





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hauptstadtstille

 alte steine
drachengestalten
novemberkastanien

moose und luftzug
kommende kälte

verhallende stimmen
und schritte von weitem
es laufen:
(konzentriert auf ihr äußeres bild)
die arbeitsamen menschen

 vorbei





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versiegelte böden

 versiegelte böden
weil das so schön ordentlich aussieht

versiegelte böden
dann ist alles unter kontrolle

versiegelte böden
weil das so toll ist mit fahrzeugen

 doch das spiel der fliegenden blätter
wird niemals enden
denn eines tages werden wir gegangen sein
und die wurzeln brechen die straße auf






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die jaguarin
(mahnmal)

 über glut gelaufen
dein augenlicht verloren
deine kinder nicht wiedergefunden
im feuer

dein land brennt

 menschen legen brände
menschen legen dich
auf einen tisch
kämpfen um dein leben

verlieren
schließlich

 alles





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lungenflügel

 lungenflügel
heben sich
senken sich
tragen dich

fliege

es ist alles da

 


 

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stadtlicht

 weiß gleißen am morgen
strahlen der autoscheinwerfer
die das tempo der fahrenden schatten bestimmen
auf regennassem asphalt

 zur arbeit!

 wenn die menschen vorbeigefahren sind
liegt das laub ruhig
stirbt im glanz der straßenlaternen
liegt da in der letzten nässe der nacht
verleiht dem versiegelten boden

ein wenig leben



 

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regencapeglück

wozu ein auto?
es ist warm
du bist geborgen
du fühlst dich sicher

in deinem körper

 



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schutzschild meinem kind

 «augen zu und durch
gib niemals auf
kämpfe»

ich bremse ab.
biege in ein ruhiges quartier ein
höre durch den klang der stadt
die vögel singen.

 

 

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nutzgärten im winter (covid 19)

 vereinzelt alte menschen
gebückt nach erfrorenem kohl
an der hütte die fahne ferner heimat
schrei eines raben

vergessen ruht
der gute lederschuh aus anderer zeit
in nachbarschaft eines fahrradschlosses
und übriger hagebutten

 tropfen um tropfen vergeht schnee

 unter einer glocke
harrt die stadt aus
wartet





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amgrund

bodenlos
abgesunken
schliesslich
gegründet

tiefseewasserpflanze sein

alles andere ist ferne brandung






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ausbeuterischer geschäftigkeit
im weg sitzen
dem gegeneinander reden
entgegen

schweigen


 




2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009




2008





vögel hören

dunkelgrün satt und schwer
beschützen die flügel der
mächtigen alten bäume
im lichtspiel der sonnenstrahlen
die kleinen unsichtbaren engel

steinfiguren
ein junges ruhiges gesicht
geprägt von der zeit
ganz lebendig am grab

menschen behütet
nach dem leben
was bedeutet die zeit

die lebendigen
gehen langsam
bei sich
respektvoll
das geräusch ihrer schritte im kies

hier ruhen -
dagegen erblasst der tag
gegenüber der ewigkeit
besteht nur der moment

 



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sanft bewegen sich
stille steine wiegen sich aneinander
reiben sich fügen sich
ein in die inne gehaltene zeit

windstill, gut

wenn ich in deinem schoß
liege mit der sonne im gesicht
schweigt der see dazu

da tasten nach uns
trauerweiden-spinnenarme

der himmel schreit

 



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zum fenster rein
schaut ein kleines
stiefmütterchen

es friert ein bisschen in der abendsonne
angebunden
damit es nicht herunterfällt.

 




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ruhig und wohl dagelegen

tief und still
brachen sonnenstrahlen
das wasser

der tag
angenehm teilnahmslos
 





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straßenlaternenlicht

mattgolden
beruhigend

zum glück
platzen regentröpfchen
auf müdem asphalt

regentröpfchen
regenköpfchen
regentierchen
klopfen 
 
herzchen sanft





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schnee regnet
schwere tropfen
in den nasskalten nadelwald
die fallen klamm

ein ruppiger, wilder frühling
stürzt sich lachend
auf uns herab

nadelstiche
in frierende gesichter

haltet die bäume fest!

 




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fingerspitz
klopft regen an
das glas meiner nerven

nasskalt
erlischt mich
keine zeit

leeren herzens
winterschlafe ich ein





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kleiner weisser affe
körper gefüllt
mit weisser farbe
fußzehen welkes laub





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der wald war lichtgrün
die sonnenstrahlen
haben das laub geteilt
der dampf ist aufgestiegen
aus allem lebendigen

wir waren barfuss




-



der frühling rostet vor sich hin
jede wird mal alt

 

 



2007




keine*r von uns beiden ist das – es passiert
und wir haben vier füße
zwei zungen viele zähne und zwei paar lippen!



-


ich bin ein baby
in deiner achselhöhle
mit geschlossenen augen
dem mund sprachlos
die geborgene entdeckung lassend

tigere am morgen seule
und still durch dein heim
weißer wände
neuer möbel
brauchst nichts zer
-wohnen brauchst nicht
viel zum wohnen
schwer zu findende zärtlichkeit
eines winzigen erhängten comics

herbst!
geh nicht vorbei ohne dass ich’s merke!


alles ist so groß ich weiß
renne offenen herzens
durch zäune
falle in abgründe
fetze seelen

bewege mich immer am Rand des Andern

 



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mein körperklang flattert
flattert nach dir
niederlassen können
komm her, komm her lass mich frei

 

-


wenn das licht deiner augen
in meine fällt
entstehen neue sterne am himmel





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lauwarm
salziges meerwasser
steigt auf
möbel
schmilzen weg
werden schlamm
der geruch süsser gewürze
verläuft sich in den kissen






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alte luft blubbert durch den ganzen
körper es knistert im hals zu lange
fußzehennägel ertasten lose
fußsohlenhornhaut füße immer in
bewegung bleiben alte luft irgendwo in
der luftröhre auf dem weg raus bleibt
stecken alte luft besonders im
bauchraum alte luft

jetzt verwesen


den himmel liegend fahren sehen






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der kastanienbaum und ich
getrennt durch eine fensterscheibe
jede allein

er und die abendsonne
ich und das abendbrot
stille

der kastanienbaum und ich
zusammen allein






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märchenprinzessin sein

der geschichte lauschend im schatten
ihre kleinen hände an mir
schauen fassend meine kleider
finden den ring, die federn, die schlange
die mir am hals liegt.






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dort entstanden dann
ausgeworfen aus
dem beckenraum hervor heraus
durch stimmlippen
mundlippen
ruckweise schmerztönchen

eine einsame träne
schmiegt sich
zusammengekauert wie ein schlafendes kind
in meinen augenwinkel







2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985





auf innenweltraumreise

es war einmal eine frau, die konnte so wild träumen dass die farben ihrer lebensrealiät daneben verblassten. eines tages wurde der sog in ihre traumwelt so stark dass sie nicht mehr essen, nicht mehr schlafen und sich um ihre kinder nicht mehr kümmern konnte. sie wurde sterbenskrank. da riefen ihre kinder laut nach ihr. sie legte sich neben ihren kindern ins bett und schlief sieben tage lang. als sie erwachte, wusste sie, dass sowohl die traumwelt, als auch ihre reale welt teil ihrer vollständigen erfahrung waren. und sie lernte zu balancieren, in beiden welten präsent zu sein. in ihren texten übersetzte sie ihre traumwelt für alle geliebten wesen ihrer realen welt. und wenn sie nicht gestorben ist dann schreibt sie noch heute.




*


mija-traeumt@posteo.ch


Mija Träumt hat Schauspiel in Bern (HKB) und Gesang in Fribourg (HEMU Lausanne) studiert. Am liebsten spielt sie heute mit Wörtern, auf ihrer eigenen, inneren Bühne. Inspiration findet sie im Verbundensein, mit ihren Kindern, mit ihren Freund*innen, mit sich selbst, mit dem Wald und mit der Stadt. Sie liest, tanzt, geht herumlaufen und ist gerne still. Ihre bezahlte Arbeitszeit setzt sie in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Herausforderungen ein.